Bildungsmaterialien für eine sozial-ökologische Transformation
  • Gutes Leben?

    Ein Indikator für das gute Leben?

    Expert*innen beraten die Enquete-Kommission

    150 min
    20-43

    Ein Indikator für das gute Leben?

    In dieser Übung schlüpfen die Teilnehmenden in die Rolle von Berater*innen des Bundestags.

  • Ein Indikator für das gute Leben?

    Format: Gruppenarbeit, Spiel

    Barrieren: Hören, Komplexität, Lesen, Schreiben, Sehen

    Material: 5 Tische, 5 Flipcharts, Pinnwand, Marker, ggf. Computer mit Internetanschluss

    Hinweis: Als Grundlage für diese Methode müssen sich die TN mit ihrem eigenen Verständnis eines guten Lebens bereits auseinandergesetzt haben. Geeignet hierfür sind die Methoden „Zum Glück eine Collage“ oder „Wohlstand und gutes Leben“. 

    In dieser Übung schlüpfen die Teilnehmenden in die Rolle von Expert*innen. Als Berater*innen der Enquete-Kommission des Bundestags „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ erarbeiten sie einen Vorschlag für einen alternativen Indikator. Dieser soll das BIP ergänzen oder ersetzen, um Wohlstand und Lebensqualität besser erfassen zu können. Die TN setzen sich zunächst mit verschiedenen bestehenden Indikatoren auseinander und formulieren dann ihre eigenen Ideen für einen geeigneten Indikator.

    Arbeitsmaterial zum Download:

    Hintergrund

    Seit vielen Jahren wird kritisiert, dass sich das Bruttoinlandsprodukt nicht für die Messung von Wohlstand und Lebensqualität der Menschen eignet. Dennoch ist es für Politik und Wirtschaft weiterhin die zentrale Messgröße. In den letzten Jahren sind in mehreren Ländern Kommissionen eingesetzt worden, um Ergänzungen bzw. Alternativen zum BIP zu finden, die genauer darüber Auskunft geben können, wie es um das Wohlergehen der Bevölkerung bestellt ist. Auch in Deutschland wurde 2011 ein solches Expert_innengremium eingesetzt: die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ des Deutschen Bundestags.

    Eine Enquete-Kommission (frz. enquête für „Untersuchung“) ist eine meist vom Deutschen Bundestag eingesetzte Arbeitsgruppe, in der Abgeordnete und Wissenschaftler_innen mehrerer, meist aller Parteien zusammenarbeiten, um große und langfristige gesellschaftliche Fragestellungen zu bearbeiten und Empfehlungen an den Bundestag zu geben. Ziel ist es, zu konkreten Problemen in einer gemeinsamen Position Lösungsvorschläge zu formulieren, die von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung (auch von dem Teil, der sich nicht durch die jeweilige Mehrheitsfraktion vertreten fühlt) mitgetragen werden können.

    Die Anfang Januar 2011 vom 17. Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ setzte sich mit der Frage auseinander, ob das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes ausreicht, um gesellschaftlichen Wohlstand, individuelles Wohlergehen und nachhaltige Entwicklung angemessen abzubilden. Außerdem wurde untersucht, ob es Grenzen für wirtschaftliches Wachstum gibt und wenn ja, wie mit ihnen umzugehen ist. Die Kommission wollte dabei die Möglichkeiten der Entwicklung eines ganzheitlichen Wohlstands- bzw. Fortschrittsindikators ausloten. Ein solcher Indikator könnte das BIP ergänzen oder als politische Zielgröße, in der das BIP ein Teilaspekt wäre, langfristig (ggf. auch in internationalen Vergleichen) ersetzen.

    Die Ergebnisse der Enquete-Kommission lassen sich hier abrufen:

    http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/175745/schlussbericht-der-enquete-kommission

    Vorbereitung

    Die Arbeitstexte werden in ausreichender Anzahl kopiert. Die Texte hierfür stammen vom Team Global der Bundeszentrale für politische Bildung.

    Durchführung

    Zusammenfassung: Die TN schlüpfen in die Rolle von Expert_innen, die zu einer Sitzung der Enquete-Kommission eingeladen sind, um diese bei der Suche nach einem geeigneten Indikator zur Erfassung vom guten Leben zu beraten. Dazu teilen sie sich zunächst in 5 Arbeitsgruppen auf, die sich jeweils mit einem bereits existierenden Indikator beschäftigen. Anschließend beginnt die offizielle Sitzung der Enquete-Kommission, in der die TN ihren Indikator präsentieren und Argumente für und gegen ihn vorbringen. Im dritten und letzten Teil beziehen sich die TN auf ihre eigenen Vorstellungen vom guten Leben und entwickeln einen eigenen Indikator, der das gute Leben erfassen kann.

    1. Einstieg: Vorstellung von Ablauf und Hintergrund (Großgruppe) (10 Min.)

    Zu Beginn wird kurz der Ablauf der gesamten Einheit vorgestellt und der Hintergrund der Enquete-Kommission (siehe oben) erläutert.

    2. Indikatoren-Vergleich: Beschäftigung mit existierenden Indikatoren (5 Kleingruppen) (45 Min.)

    Im Indikatoren-Vergleich beschäftigen sich die TN mit bereits existierenden Indikatoren, die versuchen, Wohlstand und Lebensqualität zu erfassen:

    • das Bruttoinlandsprodukt (BIP)
    • der Happy Planet Index (HPI)
    • der Human Development Index (HDI)
    • der Gini-Index
    • der Genuine Progress Index (GPI).

    Sollte sich die Gruppe schon intensiv mit dem BIP beschäftigt haben, kann dieses als Indikator auch ausgelassen oder durch einen anderen Indikator ersetzt werden.

    Zu Beginn wird die Gruppe in 5 Kleingruppen unterteilt. Dies kann nach dem Zufallsprinzip oder nach Wahl des jeweiligen Indikators geschehen, die Gruppen sollten jedoch möglichst gleich groß sein. Jede Kleingruppe beschäftigt sich mit einem Indikator. Dazu bekommt jede_r TN eine Kopie des Textes, der den jeweiligen Indikator und seine Stärken und Schwächen behandelt. Die TN lesen zunächst jede_r für sich den Text und klären anschließend in der Gruppe Verständnisfragen.

    Im nächsten Schritt sollten in der Gruppe die folgenden Fragen diskutiert und dazu ein Poster als Präsentation der Ergebnisse vorbereitet werden:

    • Was misst euer Indikator? Wie und was wird berechnet?
    • Welches Bild von Wohlstand und/oder Lebensqualität zeichnet der Index?
    • Was sind eurer Meinung nach Stärken und Schwächen eures Indikators? Für welche Fragestellung eignet er sich besonders?

    3. Präsentation: Vorstellung der Ergebnisse und Diskussion (Großgruppe) (30 Min.)

    Im Plenum wird ein großes Konferenz-U aus Stühlen aufgebaut, an dessen offener Seite Flipchart und Pinnwand aufgestellt sind.

    Nach der Kleingruppenphase präsentieren die TN ihre Ergebnisse. Hierzu werden sie zunächst von den Teamenden, die die Rolle der Leitung der Enquete-Kommission übernehmen, als Expert_innen in der Kommission willkommen geheißen. An dieser Stelle können zudem weitere Informationen über die Arbeit der Enquete-Kommission eingebracht werden. Wichtig ist, dass die Teamenden durch diesen Auftakt ein offizielles Setting schaffen, in dem sie die TN siezen und ihnen nacheinander das Wort erteilen.

    Jede Gruppe stellt nun kurz und prägnant ihren Indikator anhand der Fragen aus der Kleingruppenarbeit und des Posters vor. Dabei sollte deutlich werden, was genau der Indikator misst und welche seine Stärken und Schwächen sind. Sowohl die TN der anderen Gruppe als auch die Teamenden können Nachfragen stellen.

    Nachdem die letzte Gruppen an der Reihe war, bittet die Leitung der Kommission alle Expert_innen, in einem nächsten Schritt einen Vorschlag für einen geeigneten Indikator zur umfassenden Wohlstandsmessung zu entwerfen.

    4. Der Super-Indikator: Erarbeitung eines neuen Indikators (Kleingruppen) (25 Min.)

    Im Raum werden während einer kurzen Pause 5 Gruppentische vorbereitet. Auf jedem Tisch liegen ein leerer Flipchartblock sowie mehrere Marker.

    Die TN werden nun aufgefordert, an den Tischen Platz zu nehmen und sich dabei so aufzuteilen, dass sich an jedem Tisch wenigstens ein_e Vertreter_in aus allen vorherigen Arbeitsgruppen befindet. Den neu entstandenen Arbeitsgruppen erhalten nun folgende Fragen, über die sie sich austauschen:

    • Welche Aspekte der verschiedenen präsentierten Indikatoren haben euch überzeugt? Welche Komponenten würdet ihr übernehmen?
    • Welche Aspekte fehlen euch noch? Welche Elemente wäre außerdem wichtig, um Wohlstand und Lebensqualität gut erfassen zu können? Schaut dazu nochmal auf die Liste der Aspekte, die für euch zu einem guten Leben gehören!
    • Wie sollen die unterschiedlichen Aspekte gewichtet werden? Sind alle Kriterien gleichwertig oder wollt ihr Akzente setzen?
    • Wie soll der Indikator heißen?

    Die Ergebnisse halten sie auf ihrem Flipchart fest.

    5. Vorstellung der Ergebnisse und Abschluss (Großgruppe) (25 Min.)

    Im Anschluss stellen die Gruppen ihre Ergebnisse und ihren „Super-Indikator“ vor. Die Leitung fasst abschließend noch einmal die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse zusammen und bedankt sich für die Unterstützung der Expert_innen, mit dem Hinweis diese der Regierung vorzulegen.

    Auswertung

    Die Leitung und die TN lösen nun das Konferenz-Setting auf und legen ihre Rollen ab Anschließend stellen die Teamer_innen kurz die Ergebnisse der Enquete-Kommission zur Frage nach einem neuen Wohlstandsindikator vor (Schlussbericht der Enquete-Kommision, S.28-29, http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/175745/schlussbericht-der-enquete-kommission).

    Wir danken Sascha Meinert und Michael Stollt sowie dem Team Global der Bundeszentrale für politische Bildung für die freundliche Genehmigung zur Nutzung der Texte aus der Methode „Bruttoinlandsglück “.

    Möglichkeiten zur Weiterarbeit

    Die OECD hat im Rahmen ihres Projekts „Better life index“ einen Online-Rechner erstellt, der es ermöglicht, eine Gewichtung von Kriterien vorzunehmen. Dort können die TN versuchen, den eigenen Indikator anzuwenden. Dazu bekommen folgenden Arbeitsauftrag:

    • Besucht die Website <http://www.oecdbetterlifeindex.org/> und versucht dort so gut wie möglich, eure Kriterien für den besten Indikator anzuwenden!
    • Entdeckt ihr dort noch neue Aspekte? Welche Punkte fehlen euch?