Bildungsmaterialien für eine sozial-ökologische Transformation
  • Gutes Leben?

    Ich fühl’s nicht

    Ein Gespräch zu Emotionen in der Klimakrise

    60 min
    8-30

    Ich fühl’s nicht

    Durch eine Körperübung und Reflexionen mit Emotionskärtchen erweitern die TN ihren Blick auf die psycho-sozialen Auswirkungen von Klimakrise und globaler Ungerechtigkeit.

  • Ich fühl’s nicht

    Format: Bewegung, Diskussion

    Barrieren: Bewegung, Hören, Lesen, Sehen

    Material: Arbeitsmaterial zum Download

    Zugänglichkeit: niedrigschwellig

    Die TN erweitern ihren Blick auf die psycho-sozialen Auswirkungen von Klimakrise und globaler Ungerechtigkeit durch eine Körperübung und Reflexionen mit Emotionskärtchen.

    Lernziele

    Die Teilnehmenden (TN)…

    • erweitern ihren Blick auf die psycho-sozialen Auswirkungen von Klimakrise und globaler Ungerechtigkeit
    • finden einen (ersten) Zugang zu ihren eigenen Emotionen hinsichtlich Klimakrise und anderen gesellschaftlichen Herausforderungen
    • entdecken Verbundenheit mit sich und ihrer Mitwelt und fühlen sich in ihren Handlungsmöglichkeiten gestärkt

    Ablauf

    Hintergrund

    Aus wissenschaftlicher Perspektive ist eindeutig belegt, dass Emotion und Kognition (also Fühlen und Verstehen) tief miteinander verwoben sind und sich wechselseitig beeinflussen. Menschen erleben alles auf emotional-kognitive Art und Weise. Selbst wenn Emotionen nicht bewusst wahrgenommen werden, haben sie einen großen Einfluss darauf, wie Menschen Situationen bewerten und wie sie sich verhalten. Emotionen sind innere Gemütsregungen – eine psychophysische Bewegtheit, die durch eine Situation ausgelöst wird. Ein bewusstes Wahrnehmen unserer Emotionen kann uns Informationen über unser Verhalten und die dahinterliegenden Bedürfnisse, liefern.

    Auch im Kontext von Klimakrise, globaler Ungleichheit und Nachhaltigkeit spielen Emotionen eine zentrale Rolle. Junge Menschen erleben z.B. Angst, Hilflosigkeit, Trauer, Frustration und Ärger hinsichtlich der globalen Gegenwart und Zukunft. Gleichzeitig sind Gefühle wie Hoffnung und Zuversicht eine wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Handeln. In der Bildungsarbeit zu diesen Themen ist es daher einerseits wichtig, unangenehmen Emotionen Raum zu geben und sie Ernst zu nehmen, anstatt sie zu ignorieren oder wegzuschieben. Andererseits geht es auch darum, positive Emotionen zu fördern. Diese können den Umbau von Synapsenstrukturen und damit Lernprozesse fördern, wertschätzende und komplexe Beziehungen ermöglichen und zu nachhaltigem, sozialem Handeln inspirieren und anregen. Die Verbalisierung von Emotionen kann zu einer bewussteren Wahrnehmung und einem reflektierten Umgang führe. Außerdem kann sie zu der Feststellung führen, dass man mit den eigenen Gefühlen nicht allein ist.

    In dieser Methode geht es darum, eine erste Annäherung an die eigenen Emotionen im Kontext von Klimakrise und globalen Zusammenhängen zu ermöglichen.

    Ein achtsamer Umgang mit sich selbst und den anderen TN ist für die Methode sehr wichtig. Das beinhaltet für die TN, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und nur soweit mitzumachen und so tief hineinzugehen, wie es sich stimmig anfühlt. Dabei ist wichtig, mitzudenken, dass es sich hier um eine Bildungsveranstaltung handelt, und nicht um ein therapeutisches Setting.

    Vorbereitung

    Die anleitende Person macht sich mit dem Begleittext für die Meditation vertraut. Die Kärtchen mit den Emotionen (siehe Material zum Download) werden ausgedruckt und ausgeschnitten. Es bietet sich an, die Kärtchen jeweils mindestens 2-fach auszudrucken und dann in der Durchführung bereitzulegen, damit möglichst für alle TN die ganze Auswahl zur Verfügung steht.

    Durchführung

    1. (10 -15 Minuten) Körperübung

    Die anleitende Person erzählt kurz etwas zum Kontext der Methode und erklärt, warum es wichtig ist, sich im Kontext von Klimakrise und globaler Ungleichheit mit Emotionen zu beschäftigen. Sie kann sich dabei auf die in Hintergrund angeführten Informationen beziehen. Im Anschluss führt sie durch eine kurze Meditation mithilfe des Begleittextes (siehe Material zum Download).

    2. (10 Minuten) Selbstreflexion

    Anschließend werden die Kärtchen mit Emotionen im Raum offen ausgelegt und die TN können herumgehen und sich ein Kärtchen nehmen.

    Die anleitende Person betont, dass Menschen verschiedene Emotionen im Körper tragen können. Diese Emotionen können sich stärker oder schwächer anfühlen und mehr oder weniger bewusst sein. In der kommenden Übung wird es darum gehen, sich auf die Emotion auf dem Kärtchen zu konzentrieren. Wenn die TN sich der Emotion auf dem Kärtchen gerade nicht zuwenden wollen, können sie das Kärtchen zurücklegen und ein anderes nehmen. Sobald alle ein Kärtchen haben, haben die TN kurz Zeit, sich der Emotionen auf ihrem Kärtchen zuzuwenden. Woher kennen sie die Emotion? Wie fühlt sie sich im Körper an? Wo ist sie spürbar?

    3. (30 Minuten) Offene Sätze

    Dann kommen die TN jeweils zu zweit zusammen und setzen sich einander gegenüber für eine Gesprächsübung. Sie entscheiden, wer von den beiden beginnt, in der Übung zu sprechen.

    Die Person hat 12 Minuten Zeit, folgende Fragen zu beantworten (pro Frage 3 Minuten).

    • Wenn du dir Gedanken machst, über die Welt, die Gesellschaft, in der du lebst und die natürliche Mitwelt (hier können Themenfelder eingefügt werden, die in vorangegangenen Einheiten behandelt wurden. z.B. aktuelle Krisen und Herausforderungen, Möglichkeiten und Veränderungsprozesse): Was sind Themen, Situationen oder Prozesse, die diese Emotion (auf deiner Karte) in dir ansprechen?
    • Wie macht sich diese Emotion (auf deiner Karte) bei dir bemerkbar? Wo und wie nimmst du sie wahr? Was beeinflusst sie?
    • Wie gehst du damit um? Was machst du, wenn du diese Emotion wahrnimmst?
    • Welche weiteren Emotionen nimmst du gerade wahr? Wo und wie spürst du sie?

    Hinweise zur Gesprächsführung:

    Die Fragen werden von der anleitenden Person nacheinander vorgelesen. Zuerst wird die erste Frage vorgelesen und direkt beantwortet. Nach 3 Minuten wird die nächste Frage vorgelesen und beantwortet, usw. Danach werden die Rollen getauscht. Die Person, die zuerst zugehört hat, antwortet nun auf die Fragen und die andere Person hört zu. Es gibt hier kein „richtig“ oder „falsch“. Es kann helfen, sich die Meditationsübung vom Anfang in Erinnerung zu rufen, um beim Antworten nicht vor allem im Kopf zu sein, sondern den ganzen Körper mitzunehmen. Es darf auch innegehalten oder kurz geschwiegen werden.

    Die andere Person hört aufmerksam zu und ist mit ihrer Aufmerksamkeit ganz bei der sprechenden Person. Sie begegnet der sprechenden Person mit Offenheit und Wertschätzung, unterbricht diese nicht und teilt keine eigene Einschätzung, Bewertung oder Meinung dazu. Wenn erwünscht können Rückfragen gestellt werden.

    Schließlich haben die TN noch 5 Minuten Zeit, um zu zweit zu reflektieren:

    • Wie ging es dir beim Sprechen? Wie leicht oder schwer ist es dir gefallen, dich in die Emotion hineinzufühlen?
    • Wie ging es dir beim Zuhören? Was war herausfordernd? Was war angenehm?
    • Was fandest du interessant?

    4. Auswertung (10-15 Minuten)

    Danach kommen wieder alle zusammen und die anleitende Person stellt folgende Fragen:

    • Welche Emotionen kommen häufig auf, wenn es um die Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit geht?
    • Zu welchen Emotionen fällt es leichter/schwerer, Zugang zu finden?
    • Wie gehst du mit diesen Emotionen um?
    • Welche Auswirken haben unsere Emotionen darauf, wie wir über die Welt sprechen und wie wir handeln?
    • Welche Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen können entstehen, wenn Emotionen in der Auseinandersetzung mit sozialen und ökologischen Krisen eine größere Aufmerksamkeit bekommen?

    Varianten

    Diese Methode eignet sich in abgekürzter Variante auch als Einstieg für andere Methoden zu Klimakrise und globaler Gerechtigkeit. Dafür werden die Emotionen-Kärtchen im Raum aufgelegt und die anleitende Person fragt „Wenn ich an die aktuelle Situation der Welt / Zukunft der Welt denke, welche Emotionen spüre ich dann?“. Die TN können sich zu einem Kärtchen stellen, das am meisten zutrifft und sich mit anderen TN kurz dazu austauschen, warum sie hier stehen.

    Durchführung digital

    Die Methode kann mit folgenden kleinen Anpassungen digital durchgeführt werden:

    • 1. Körperübung: Für die Meditation können sich die TN einen angenehmen Platz an ihrem jeweiligen Ort, ggf. außer Sichtweite der Kamera, suchen.
    • 2. Selbstreflexion: Die Emotionen-Kärtchen können als Dokument an alle geschickt werden, oder in einem Online-Whiteboard visualisiert werden.
    • 3. Offene Sätze: Sie finden in Breakout-Räumen à 2 Personen statt. Die Fragen werden zuvor über den Chat geteilt. Die zuhörende Person behält die Zeit im Blick und stellt nacheinander die Fragen aus dem Chat. Danach wird selbstständig gewechselt. Diese Übung erfordert im Online-Format ein höheres Maß an Selbstorganisation der TN. Bei wenig erfahrenen Gruppen bietet es sich an, beim Wechsel der sprechenden Person, sowie vor der Reflexion zu zweit, einmal kurz im Hauptraum zusammenzukommen, mögliche Fragen oder Unklarheiten zu klären und dann wieder in die Breakout-Räume zu gehen.

    Die Tipps und Hinweise für Anleitende sind bei der digitalen Durchführung stark zu beachten. Auch hier gilt, dass ein gewisses Vertrauen zwischen den TN und der anleitenden Person Voraussetzung für die Methode ist. Der digitale Raum kann sich für manche TN weniger vertrauensvoll anfühlen. Die Stimmung kann im digitalen Raum für die anleitende Person schwerer greifbar sein. Gleichzeitig bietet der digitale Raum niedrigschwellige Möglichkeiten für die TN, auf sich zu achten und ggf. aus der Übung herauszuziehen.

    Tipps und Hinweise für Anleitende

    Bei dieser Übung braucht es Vertrauen der TN für die Gruppe und die anleitende Person. Je nach Zielgruppe ist es möglich, dass TN bisher wenig in bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Emotionen gegangen sind. Dafür ist es wichtig, vorher kurz zu erklären, was während der Übung passieren wird und zu betonen, dass die TN soweit mitmachen sollen, wie sie sich wohl fühlen.

    Eine angeleitete Meditation bietet eine Möglichkeit, um ein Bewusstsein der TN zu stärken, und sich selbst und ihre Mitwelt wahrzunehmen. Der Begleittext (siehe Material zum Download) kann individuell durch die anleitende Person verändert oder angepasst werden. Zwischen den jeweiligen Sätzen soll genug Pause zum Atmen und Wahrnehmen sein.

    Für manche Zielgruppen kann es herausfordernd sein, länger am Stück über die eigenen Emotionen zu sprechen. Ggf. können in 3. Offene Sätze die Fragen reduziert und die Zeit pro Person auf insgesamt 5 Minuten begrenzt werden.

    Quellen:

    • Eigene Anpassung in Anlehnung an die Methode “Offene Sätze”, in: Macy, Joanna; Chris Johnstone, Chris: Hoffnung durch Handeln: Dem Chaos standhalten, ohne verrückt zu werden. Paderborn: Junfermann, S. 72
    • Blum, J. (2021): Transformatives Lernen durch Engagement. Ein Handbuch für Kooperationsprojekte zwischen Schulen und außerschulischen Akteur*innen im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung. Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/final_hauptdok_uba_handbuch_transformatives_lernen_bfrei.pdf (14.01.24)
    • Grund, J. / Brock, A. (2019): Why We Should Empty Pandora’s Box to Create a Sustainable Future: Hope, Sustainability and its Implications for Education. Sustainability, 11, 893.
    • van Bronswijk, K. / Hausmann, C. (Hrsg.) ( 2022): Climate Emotions. Klimakrise und Psychische Gesundheit. Gießen: Psycho-Sozial Verlag
    • Waldow-Meier, S. (2022): Zwischen Zukunftsangst und Zukunftsmut. Zur Rolle von Emotionen in der Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Krisen und antizipierter Unsicherheit von Zukunft, Gerhard de Haan Verlag.