Bildungsmaterialien für eine sozial-ökologische Transformation
  • Alternativen

    Was kommt nach dem Wachstum?

    Eine Talkshow zu alternativen Wirtschaftskonzepten

    85 min
    9-30

    Was kommt nach dem Wachstum?

    Lernziele Die Teilnehmenden (TN)… Ablauf Vorbereitung Die anleitende Person liest die Texte im Arbeitsmaterial zum […]

  • Was kommt nach dem Wachstum?

    Format: Diskussion, Gruppenarbeit, Spiel

    Barrieren: Hören, Komplexität, Lesen

    Material: Arbeitsmaterial zum Download, 3 Stühle

    Zugänglichkeit: Die Methode erfordert ein Grundverständnis der TN über Kritik am aktuellen Wirtschaftssystem und seinen sozialen und ökologischen Auswirkungen. Dafür können im Vorhinein z.B. die Methoden „Die zwei Seiten der Medaille“, „Wachstumsquartett“ oder andere Methoden der Kategorie Wirtschaftswachstum durchgeführt werden.

    Lernziele

    Die Teilnehmenden (TN)…

    • lernen verschiedene Perspektiven und Ideen kennen, wie ein globales Wirtschaftssystem jenseits von Wachstum aussehen kann.
    • eignen sich neues Wissen über alternative Wirtschaftsweisen an und teilen dieses mit anderen TN.
    • machen Erfahrungen einer dialogischen Gesprächskultur, in der es nicht um ein Gegeneinander oder die eine perfekte Lösung geht, sondern darum, verschiedene Perspektiven und Handlungswege anzuerkennen und wertzuschätzen.

    Ablauf

    Vorbereitung

    Die anleitende Person liest die Texte im Arbeitsmaterial zum Download ausführlich und bereitet sich auf die Rolle der Talkshow-Moderation vor.

    Durchführung

    1. Einleitung (5 Minuten)

    Die anleitende Person kommuniziert, dass es nun um Ideen und Konzepte zu Wirtschaft jenseits von Wachstum geht. Sie erklärt den Ablauf der Methode und stellt kurz die drei Texte mit den Interviews vor.

    2. Kleingruppenphase (30-40 Minuten)

    Die TN werden nun in drei gleichgroße Gruppen eingeteilt. Dafür werden an drei unterschiedliche Plätze im Raum je eine Moderationskarte mit dem Thema „Degrowth“, „Klimagerechtigkeit“ und „Donut-Ökonomie“ und die jeweiligen Texte dazu gelegt. Eine Gruppe arbeitet mit dem Interview „Gemeinsam könnten Grüne und Sozialisten das Klima retten“ mit Kohei Saito zum Thema Degrowth. Die zweite Gruppe liest das Interview „Ich wünsche mir radikale demokratische Lösungen“ mit Imeh Ituen zum Thema Klimagerechtigkeit. Die dritte Gruppe erhält das Interview „Kein System wächst endlos“ mit Kate Raworth zum Thema Donut-Ökonomie.

    • Degrowth (Interview mit Kohei Saito)
    • Klimagerechtigkeit (Interview mit Imeh Ituen)
    • Donut-Ökonmie (Interview mit Kate Raworth)

    Die TN können sich bei dem Thema platzieren, das sie am meisten interessiert. Wenn die Gruppen ungleich groß sind, fragt die anleitende Person, wer sich vorstellen kann, die Gruppe zu wechseln.

    Sobald sich die drei Gruppen gefunden haben, haben sie nun Zeit, das Interview zu lesen und innerhalb der Gruppe zu besprechen. Nach dem Lesen klären die TN Verständnisfragen innerhalb der Kleingruppe. Die anleitende Person kann herumgehen und unterstützen, wenn nötig. Anschließend werden die Hauptargumente des jeweiligen Texts zusammen herausgearbeitet, die anschließend in das Gespräch eingebracht werden sollen. Das geschieht mithilfe der Methode „Ja, und …“.

    Die Methode „Ja, und …“

    Die TN in den Kleingruppen beginnen alle ihre Sätze mit „Ja, und …“. Eine Person startet mit einer Aussage/einem Argument aus dem Interview, z. B.: „Imeh Ituen sagt, dass …“. Danach ergänzt die nächste Person mit „Ja, und außerdem betont sie, dass …“. Dies hilft den TN dabei, die zentralen Aussagen der Interviews herauszuarbeiten und zu sammeln und sich (noch) nicht in Diskussionen zu verstricken. Zentrale Aussagen können mit Stichpunkten auf Moderationskarten notiert werden. Die TN können zusätzlich weitere eigene Argumente und Anliegen, welche die Argumente der Interviews ergänzen, für ihren Gesprächsbeitrag entwickeln. Jede Gruppe sollte die Position des*der Interviewpartner*in für ein prägnantes Eingangsstatement zusammenfassen, das dann als Auftakt für das darauffolgende Gespräch in der Talkshow dient.

    3. Kurze Einführung in das Talkshow-Setting (5 Minuten)

    Zur Talkshow wurden Vertreter*innen verschiedener Ansätze alternativer Wirtschaftsweisen eingeladen. Diese diskutieren dort die Frage „Was kommt nach dem Wachstum?“

    Für jede Gruppe und für die Moderation ist jeweils ein Stuhl aufgestellt, die anderen TN sitzen gegenüber im Publikum. Angelehnt an die Fishbowl-Methode sollen möglichst viele TN in der Gesprächsphase zu Wort kommen. Daher bestimmt jede Gruppe zunächst eine Person, die in der Talkshow startet. Die Mitglieder der eigenen Gruppe können die Vertreter*innen durch ein Klatschsignal oder durch Aufstehen und In-Richtung-Stühle-Gehen auffordern, die Position zu tauschen, und somit das Gespräch selbst fortführen. Die Vertreter*innen können ebenfalls von sich aus aufstehen und den Stuhl freimachen für eine neue Person der Gruppe.

    Die anleitende Person übernimmt die Rolle der Talkshow-Moderation. Sie weist darauf hin, dass es – anders als im klassischen Talkshow-Setting – nicht darum geht, möglichst viel zu Wort zu kommen und die eigene Position zu verteidigen, oder darum, mit den „besseren“ Argumenten zu gewinnen und die anderen zu übertrumpfen. Es geht vielmehr darum, dass die Vertreter*innen möglichst ihre Perspektive beitragen, die der anderen anhören und im besten Fall aufeinander eingehen und sich gegenseitig ergänzen können. Außerdem betont die anleitende Person, dass die TN zwar die inhaltlichen Positionen und zentralen Argumente aus den Interviews vertreten, sowie die weiteren in der Kleingruppe gesammelten Beiträge. Sie verkörpern jedoch nicht die interviewten Personen als solche und sprechen nicht aus deren Position und Erfahrung heraus.

    4. Talkshow „Was kommt nach dem Wachstum?“ (15-20 Minuten)

    Zur Einstimmung kann hier von der Moderation zunächst eine kleine Begrüßungsrede für die Zuschauer*innen gehalten werden, die die zentralen Themen und Fragen umreißt und einen leichten Einstieg für die Talkshow-Gäste bietet: „Vieles deutet darauf hin: Wir brauchen eine Wirtschaft und Gesellschaft, die nicht auf Wachstum ausgerichtet ist. Aber wie kann diese und der Weg dahin aussehen? Um diese Fragen zu besprechen, haben wir Gäste eingeladen, die uns verschiedene Perspektiven auf eine Wirtschaft jenseits von Wachstum näherbringen werden. Herzlich willkommen!“

    Die Gesprächsparteien beginnen nun mit ihrem Einstiegsstatement und werden anschließend gebeten, auf das Statement der jeweils anderen einzugehen.

    Mögliche Fragen für die Moderation:

    • „Sie sitzen hier alle, um über Wirtschaft jenseits von Wachstum zu sprechen. Aber wieso brauchen wir eine solche Wirtschaft überhaupt? Was ist das Problem mit dem aktuellen Wirtschaftssystem?“
    • „Sie als Vertreter*in von Degrowth/Donut-Ökonomie/Klimagerechtigkeit: Wie stehen Sie dazu? Was muss aus Ihrer Perspektive noch beachtet werden?“
    • „Das klingt alles nach schönen Vorstellungen. Aber wie kommen wir denn dahin? Und wer kann dazu beitragen?“

    Die Talkshow endet nach 15-20 Minuten mit einem knappen Abschlussstatement der Vertreter*innen und wird durch eine kurze Zusammenfassung und mit einem Dank an alle Beteiligten durch die Moderation geschlossen.

    5. Auswertung (10-15 Minuten)

    Anschließend an die Talkshow, in der die TN eine bestimmte Perspektive vertreten haben, die nicht unbedingt ihre eigene war, geht es nun um die eigene Haltung. Dazu kann mit folgenden Fragen gearbeitet werden:

    • Wie habt ihr das Gespräch erlebt? Wie ging es euch beim Sprechen und beim Zuhören?
    • Wie habt ihr euch dabei gefühlt, eine bestimmte Position zu vertreten, die vielleicht nicht eure eigene ist?
    • Inwiefern tragen die Ansätze zu globaler Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit bei? Welche Ansätze fandet ihr besonders überzeugend?
    • Was ist eure persönliche Meinung zur Frage, warum es eine Wirtschaft jenseits von Wachstum braucht?
    • Welche Schritte könnt ihr selbst gehen, um zu einer Wirtschaft jenseits von Wachstum beizutragen?

    Varianten

    Statt einer Talkshow können niedrigschwelligere Formate für das Gespräch zu den unterschiedlichen Perspektiven auf alternative Wirtschaftsweisen gewählt werden. (ab 3.)

    • Fishbowl: Für jede Gruppe und für die Moderation ist jeweils ein Stuhl in der Mitte des Raumes aufgestellt, die anderen TN setzen sich hinter den Platz ihre*r Redner*in. Dies nimmt den „Bühnencharakter“ der Talkshow und kann es TN erleichtern, am Gespräch teilzunehmen. Wichtig ist, dass die Moderation trotzdem präsent ist und Fragen stellt.
    • Gruppenpuzzle: Nach der Textarbeit in den Kleingruppen werden die Kleingruppen neu gemischt, sodass jedes Thema zweimal in jeder neuen Kleingruppe à sechs Personen vertreten ist. (Wenn es nicht genau aufgeht mit der Gruppengröße, können einzelne Perspektiven auch nur einfach vertreten sein.) In den neuen Kleingruppen geben nun alle den anderen TN einen kurzen Einblick in den Text, mit dem sie sich beschäftigt haben. Dabei geht es darum, die wichtigsten Informationen aus ihrem Text und das Gespräch in der vorherigen Kleingruppe kurz zusammenzufassen. Darauf aufbauend tauschen sich die TN zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei ihren Beispielen aus. Diese Methode stellt sicher, dass alle zu Wort kommen und wiedergeben können, was sie in den Texten gelesen und verstanden haben. Dabei geht jedoch der spielerische Charakter des Talkshow-Settings größtenteils verloren. Außerdem ist es für die anleitende Person herausfordernder, einen Überblick über die Gespräche der Kleingruppen zu haben und ggf. zu unterstützen, wenn es für die TN herausfordernd ist, zentrale Argumente der Texte wiederzugeben.

    Tipps und Hinweise für Anleitende

    Zur Vorbereitung auf die Methode und insbesondere die Talkshow hilft es, die Interviews im Vorfeld genau zu lesen und evtl. noch weitere inhaltliche Recherche zu betreiben (siehe Quellen und Weiterführendes). So kann die anleitende Person auf mögliche aufkommende Fragen der TN eingehen und ggf. auf weitere Quellen verweisen. Wichtig dabei ist, dass es nicht darum geht, dass die anleitende Person Antworten auf alle Fragen hat, aber sich im Thema sicher genug fühlt, um die Methode durchzuführen. Im Interview mit Kohei Saito wird von „Degrowth-Kommunismus“ gesprochen und der Begriff auch kritisch betrachtet. Es kann hilfreich sein, sich als anleitende Person mit Kommunismus als Gesellschaftskonzept und Kritik daran aus verschiedenen Perspektiven auseinanderzusetzen (siehe Quellen und Weiterführendes).

    Gespräch statt Diskussion: Es ist hilfreich, immer wieder – und insbesondere vor der Talkshow – darauf hinzuweisen, dass es – anders als im klassischen Talkshow-Setting – nicht darum geht, möglichst viel zu Wort zu kommen und die eigene Position zu verteidigen, oder darum, mit den „besseren“ Argumenten zu gewinnen und die anderen zu übertrumpfen. Es geht vielmehr darum, dass die Vertreter*innen möglichst ihre Perspektive beitragen, die der anderen anhören und im besten Fall aufeinander eingehen und sich gegenseitig ergänzen können. Dadurch können die TN für eine (Gesprächs-)Kultur des Miteinanders sensibilisiert werden, in der Menschen einander zuhören und verschiedene Ideen für eine sozial und ökologisch gerechte Gesellschaft zusammenbringen können. Dabei kann die anleitende Person auch auf die Redeanteile der TN achten: Menschen treten unterschiedlich selbstbewusst auf; häufig hängt das mit der eigenen (geschlechtsspezifischen) Sozialisation zusammen. Auch Stille aushalten zu lernen, wenn gerade niemand einen Beitrag hat, kann Teil einer solchen Gesprächskultur sein.

    Komplexität und Abstraktion: Die Interviews sind tatsächliche Interviews, die als solche veröffentlicht wurden. Zum Teil werden komplizierte Begriffe benutzt oder Konzepte erwähnt und nicht immer ausreichend erklärt. Darauf kann die anleitende Person die TN hinweisen, bevor sie die Texte zum Lesen austeilt, und Unterstützung bei Verständnisschwierigkeiten anbieten. Darüber hinaus bieten die Interviews Konzepte und Ideen einer alternativen Wirtschaftsweise an. Sie gehen dabei aber nicht in konkrete und ausdifferenzierte Details über Maßnahmen und Wege dahin. Sie erklären also nicht den „Masterplan“ für eine andere Wirtschaft. Es ist möglich, dass TN einen solchen „Masterplan“ erwarten oder erhoffen und enttäuscht darüber sind, wenn die Interviews nicht konkret genug sind. Die anleitende Person kann im Vorfeld oder dann im Gespräch darauf hinweisen, dass es nicht den einen „Masterplan“ gibt, sondern dass es viele Maßnahmen und Lösungen gibt, die einander ergänzen und bestärken können. Zur Weiterarbeit kann z.B. die Methode „Klimagerechtigkeit jetzt!“ durchgeführt werden, in der es um konkretere Maßnahmen in einzelnen gesellschaftlichen Bereichen geht.

    Thematische Erweiterung: Bei Interesse oder Bedarf kann die anleitende Person die drei vorhandenen Perspektiven erweitern und weitere Materialien dazu suchen. Weitere alternative Wirtschaftskonzepte sind z.B. „Care economy“ oder „Commons-/Gemeingüterbasierte Wirtschaft“.

    Quellen und Weiterführendes

    • Adamczak, B. (2017): Kommunismus. Kleine Geschichte, wie endlich alles anders wird. Unrast.
    • Adamczak, B. (2017): Beziehungsweise Revolution. 1917, 1968 und kommende. Suhrkamp.
    • Hickel, J. (2021): Less is more. How Degrowth will save the world. Windmill Books.
    • Ituen, I. & Tatu Hey, L. (2021): Der Elefant im Raum – Umweltrassismus in Deutschland. Studien, Leerstellen und ihre Relevanz für Klima- und Umweltgerechtigkeit. Heinrich Böll Stiftung. https://www.boell.de/de/2021/11/26/der-elefant-im-raum-umweltrassismus-deutschland
    • Raworth, K. (2017): Doughnut Economics. Seven ways to think like a 21st-century economist. Random House Business.
    • Saito, K. (2023): Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus. Dtv-Verlag.
    • Schmelzer, M. & Vetter, A. (2021): Degrowth/Postwachstum zur Einführung. Junius Verlag.