Bildungsmaterialien für eine sozial-ökologische Transformation
  • Wirtschaftswachstum

    Warum Menschen fliehen

    Mysterys zu Zusammenhängen von Wirtschaft und Flucht

    90 min
    10-25

    Warum Menschen fliehen

    Produktions- und Lebensweisen als Fluchtursachen und die Verantwortung des Globalen Nordens.

  • Warum Menschen fliehen

    Format: Gruppenarbeit

    Barrieren: Bewegung, Hören, Komplexität, Lesen, Motorik, Sehen

    Material: Arbeitsmaterial zum Download: Mystery-Geschichten, Rastervorlage für die Auswertung, Broschüre „Warum Menschen fliehen“

    Zugänglichkeit: Grundkenntnisse über Herausforderungen und Zusammenhänge der Globalisierung sowie in Bezug auf soziale und ökologische Grenzen des Wirtschaftens sind von Vorteil.

    Die Teilnehmenden (TN) diskutieren die Verantwortung des Globalen Nordens in Bezug auf Fluchtursachen und überlegen, wie sich Fluchtursachen wirkungsvoll bekämpfen lassen.

    Lernziele

    Die Teilnehmenden (TN)

    • lernen die wichtigsten Gründe kennen, warum Menschen fliehen
    • beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen Fluchtgründen, wirtschaftlichen Strukturen und Lebensweisen im Globalen Norden.
    • gehen der Frage nach, wie sich Fluchtursachen ganzheitlich bekämpfen lassen.

    Ablauf

    Hintergrund

    Im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise wird häufig die Bekämpfung von Fluchtursachen als wirkungsvollste Lösung benannt. Praktisch wird allerdings vor allem Fluchtabwehr betrieben, indem sich die reicheren Weltregionen zunehmend abschotten. Was müsste also passieren, um Fluchtursachen wirklich ganzheitlich zu bekämpfen?
    Ob Krieg und Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung, Armut und Perspektivlosigkeit, Umweltzerstörung und Klimawandel oder Rohstoffhandel und Landraub – meist sind diese häufigsten Fluchtursachen eng miteinander verwoben, und sehr oft hängen sie mit der zunehmenden globalen Ungleichheit zwischen Arm und Reich sowie mit den Produktions- und Lebensweisen des Globalen Nordens zusammen.
    Allein die Zahl der Klimaflüchtlinge wird heute bereits auf über 20 Millionen geschätzt, bis zum Jahr 2050 wird sich diese Zahl vermutlich deutlich erhöhen. Die Verantwortung der Industrieländer liegt beim Thema Klimawandel auf der Hand, und trotzdem werden Klimaveränderungen und Umweltzerstörung bislang nicht als Asylgrund anerkannt. Gerade Flucht aus „wirtschaftlichen Gründen“ wird häufig als illegitim dargestellt und den Betroffenen keinerlei Schutzperspektive geboten. Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass auch „ungerechte Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, […] die Ausplünderung von Rohstoffvorkommen oder die Zerstörung lokaler Märkte“ Armut und Perspektivlosigkeit anderswo mitverursachen.
    Die Methode geht den viel diskutierten Fluchtursachen auf den Grund und lädt zu einer kritischen Diskussion darüber ein, welche Ursachen den jeweiligen Fluchtgründen vorausgehen. Dabei wird deutlich: „Je gerechter die Welt gestaltet ist, umso weniger sind Menschen zur Flucht gezwungen.“

    Vorbereitung
    Die einzelnen Text-Schnipsel der Mystery-Geschichten werden ausgeschnitten und in Umschläge gelegt. Die Auswertungsfragen werden ebenfalls ausgedruckt und außen auf den Umschlag geklebt. Die Anleitenden sollten sich zudem die zusammenhängenden Mystery-Geschichten ausdrucken, um eine mögliche Lösungsvariante parat zu haben.
    Das Raster für die Vorschläge zur Bekämpfung von Fluchtursachen (siehe Arbeitsmaterial) wird vorbereitet.

    Durchführung

    1. Einstieg (10 Minuten)

    Die Anleitenden führen zum Thema hin und erläutern das Ziel der Methode, z. B.: „Ziel ist es, sich mit verschiedenen Fluchtursachen zu beschäftigen und Zusammenhänge zwischen dem globalen Wirtschaftssystem, Lebensweisen im Globalen Norden und Fluchtursachen im Globalen Süden zu verstehen. Darauf aufbauend werden wir Strategien zur Bekämpfung von Fluchtursachen entwickeln.“ Anschließend werden fünf Kategorien von Fluchtursachen vorgestellt (für eine gemeinsame Erarbeitung der Kategorien mit den TN siehe auch die Methode „Wem steht die Welt offen?“):
    > Krieg und Gewalt
    > Perspektivlosigkeit und Armut
    > Diskriminierung und Verfolgung
    > Rohstoffhandel und Landraub
    > Umweltzerstörung und Klimawandel
    Es bietet sich an, in der Gruppe nach Beispielen zu den einzelnen Kategorien zu suchen, um das Verständnis bezüglich der Kategorien zu erhöhen (siehe dazu im Arbeitsmaterial die Broschüre „Warum Menschen fliehen“). Es sollte auf den begrifflichen Unterschied zwischen Flucht (erzwungene Migration) und freiwilligen Formen der Migration hingewiesen werden, wenngleich die Übergänge zwischen diesen Kategorien fließend sein können.

    2. Kleingruppenarbeit mit Mystery-Geschichten (30-45 Minuten)

    Die Anleitenden führen nun zur Gruppenarbeit hin. Es werden bis zu acht Kleingruppen gebildet. Die Gruppen erhalten je einen Umschlag mit einem Mystery-Puzzle. Die Kleingruppen bringen die Schnipsel in eine für sie logische Reihenfolge und vollziehen so die Zusammenhänge zwischen den Ereignissen nach. Anschließend überlegen die TN in ihren Kleingruppen, welche der fünf Fluchtkategorien am besten zu ihrer Geschichte passt, und diskutieren die Auswertungsfragen auf dem Umschlag.

    3. Vorstellung der Gruppenergebnisse (20 – 30 Minuten)

    Alle kommen wieder in einem Stuhlkreis zusammen. Die fünf Fluchtkategorien vom Anfang werden visualisiert. Die Kleingruppen geben nun knapp in eigenen Worten ihre Geschichte wieder und ordnen ihr Beispiel einer der Fluchtkategorien zu. An dieser Stelle können Verständnisfragen an die Kleingruppen gestellt werden, Diskussionsfragen werden hintenangestellt.

    4. Auswertung (15 Minuten)

    Nachdem alle Geschichten vorgestellt wurden, bieten sich folgende Auswertungsfragen an:
    > Welche Zusammenhänge zwischen unseren Produktions- und Lebensweisen im Globalen Norden und den wesentlichen Fluchtursachen sind für euch besonders verständlich geworden?
    > In welchen Bereichen sind die Zusammenhänge für euch eher unklar?
    > Was kann getan werden, um Fluchtursachen zu bekämpfen?
    Für die Diskussion um die Bekämpfung von Fluchtursachen wird zur Visualisierung ein Raster mit den Fluchtpunkten lokal-global und strukturell-individuell vorbereitet (siehe Arbeitsmaterial). Die Anleitenden notieren die Vorschläge auf Moderationskarten und ordnen diese gemeinsam mit der Gruppe im Raster zu. Dabei können Ideen, die bereits in der Gruppenphase aufgekommen sind, aufgegriffen werden. Durch die Diskussion sollte deutlich werden, dass auf allen Ebenen etwas getan werden kann, es aber gleichzeitig um komplexe Zusammenhänge geht und keine einfachen, einseitige Lösungen vorhanden sind.

    Varianten

    Es bietet sich an, die Methode „Wem steht die Welt offen?“ als Einstieg zu wählen.

    Tipps und Hinweise für Anleitende

    In den Mystery-Geschichten werden komplexe Zusammenhänge sehr vereinfacht wiedergegeben. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass es sich hier um eine bewusste Komplexitätsreduktion handelt. Es muss sowohl mit Abwehrreaktionen bezüglich der „eigenen Verantwortung“ in Bezug auf Fluchtursachen gerechnet werden als auch mit vereinfachten Schuldzuweisungen und Lösungsvorschlägen. Die Anleitenden sollten zwischen diesen Positionen vermitteln, indem sie auf die Komplexität hinweisen, ohne klare Verantwortlichkeiten zu negieren.

    Möglichkeiten zur Weiterarbeit

    Bei Gruppen mit großem theoretischen Interesse kann eine Auseinandersetzung mit dem Konzept der imperialen Produktions- und Lebensweisen oder postkolonialen Theorien angeschlossen werden